„Kommunikation wird schneller, mobiler, einfacher“
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Messenger wie Zoom und Skype in aller Munde. Doch wie sicher ist die Kommunikation über sie wirklich? Das Aalener Start-up-Unternehmen Blackpin hat es sich zur Aufgabe gemacht, den sichersten Business-Messenger auf den Markt zu bringen. Im Interview erklärt Blackpin-CEO Sandra Jörg, warum Arbeiten künftig mobil stattfinden wird, warum Fehler so wichtig sind und warum Daten das Kapital von morgen sind.
Netzwerk: Frau Jörg, welche App öffnen Sie morgens als Erstes auf Ihrem Smartphone?
Sandra Jörg: Meistens ist es die Blackpin-App, da wir im Unternehmen über den Messenger kommunizieren. Aber natürlich lese ich auch meine Mails.
Messenger für Unternehmen gibt es viele auf dem Markt. Was hebt Blackpin von ihnen ab?
In einem geschlossenen Messenger wie dem von Blackpin sind sämtliche Kontakte sowie die Unternehmensstruktur vordefiniert. Die Firma entscheide talso selbst, wer Zugriff auf den Messenger hat, und wer nicht. Das bietet Sicherheit. Bei unserem Messenger verwenden wir Business-to-Business-Features(B2B), die DSGVO-konform sind. Unser Ziel ist es, einen Messenger anzubieten, bei dem man nicht mit seinen Daten zahlt.
Dafür verwenden Sie den sogenannten Sicherheitsstandard AES256. Für uns Laien – was bedeutet das?
AES256 steht für den höchsten Verschlüsselungsstandard –mehr geht nicht. Zunächst einmal ist der Blackpin-Messenger Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Diesen Begriff kennt jeder, der beispielsweise Whatsapp nutzt. Wichtig ist bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung jedoch, wie viele Schlüssel letztlich generiert werden. Der Nutzer selbst bekommt einen Schlüssel zugeteilt, wenn er sich bei einem Messenger anmeldet. Damit werden gesendete Nachrichten ver- und später wieder entschlüsselt. Im Community-Bereich werden darüber hinaus noch zwei weitere Schlüssel generiert: Einen für den Staat, der alles aufzeichnet – und einen für Whatsapp selbst.
Was macht ein Community-Messenger wie Whatsapp mit diesen Daten?
Sie werden auf anderen Plattformen vermarktet. Dass ein Community-Messenger wie Whatsapp gratis ist, stimmt im Grunde nicht – man zahlt dort mit seinen Daten. Diese Messenger generieren häufig drei Schlüssel: in Amerika etwa einer für den Staat und auch einer für den Betreiber selbst, der dann wiederum die Daten weiter vermarktet. Bei Blackpin generieren wir dagegen nur einen Schlüssel – für den User. Das heißt, wir geben die Daten nicht an Dritter aus. Die Gespräche, die im Chat stattfinden, können wirklich nur diejenigen lesen, die daran teilnehmen.
Welche Vorteile hat die Kommunikation über Messenger innerhalb eines Unternehmens gegenüber anderen Kommunikationsmitteln wie beispielsweise E-Mail?
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern zu kommunizieren, darunter Intranet, E-Mail, Telefon, SMS oder Newsletter. Doch es gibt Statistiken, die sagen, dass das deutlich abnimmt. Kommunikation in Unternehmen verändert sich. Sie wird schneller, mobiler und einfacher. Die Menschen sind es gewohnt, im Privatbereich schnell und unkompliziert zu kommunizieren. Manchmal ist es zum Beispiel besser, eine Sprachnachricht zu hinterlassen, als anzurufen. Zu den Vorteilen eines Messengers gehört auch, dass man erkennt, ob ein Kollege gerade online oder offline ist. Viele Menschen, die agil arbeiten, besitzen darüber hinaus gar keine Firmen-Laptops. Kommunikation muss daher mobil auf dem Handy stattfinden. Und das trägt ja jeder dauerhaft bei sich. Die Erreichbarkeit ist dadurch sehr vielhöher – die diese kurze, unkomplizierte Reaktionszeit erwarten die Kunden auch.
Mobil erreichbar zu sein ist vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder Thema in Unternehmen. Steigt das Interesse an B2B-Messengern in Zeiten von Homeoffice?
Seit Corona weiß jeder, was Zoom, Skype oder Microsoft Teams sind. In vielen Unternehmen soll es künftig möglich werden, zwei bis drei Tage in der Woche im Homeoffice zu arbeiten. Dadurch spielen solche Tools eine große Rolle. Außerdem glaube ich, dass sich der ganze Arbeitsmarkt komplett verändern wird. Die Menschen werden mobiler. Ich selbst habe zu Hause zwar ein Büro, aber letztlich wandere ich beim Arbeiten den ganzen Tag durchs Haus. Ich bin draußen, koche nebenher, mache parallel die Wäsche. Man bewegt sich und das Arbeiten hört nicht auf. Ich fahre zur Post, zum Einkaufen und arbeite die ganze Zeitweiter. Ob das alles nur Vorteile hat, sei dahingestellt. Es ist aber auf jeden Fall effektiver. Die Art des Arbeitens wird sich verändern und immer mobiler werden.
Sie haben zwölf Jahre in Berlin und sieben Jahre in Tel Aviv gelebt. Haben diese Städte Ihre Arbeitsweise verändert?
Israel lebt diese mobile Arbeitskultur vor. Da trifft man sich am Strand und arbeitet nebenher. Das Privatleben vermischt sich dort vielmehr mit dem Geschäftlichen als bei uns. In Israel gibt es ebenso wie in Berlin eine große Agentur-Szene, weil dort wenig Industrie, dafür viel mehr Dienstleisterangesiedelt sind. Die Menschen sind kreativ und erfinderisch. In Israel gibt es– ganz anders als in Deutschland – eine Trial-and-Error-Kultur. So handeln die Israelis, das nennt sich Fail Forward. Es wird viel mehr ausprobiert, während in Deutschland immer allesperfekt sein muss. Die Israelis veröffentlichen zum Beispiel eine App, obwohl sie noch Bugs hat. Das ist eine Fehlerkultur. Und aus Fehlern lernt man.
Aus welcher Branche kommen Ihre Kunden?
Zu unserer Hauptzielgruppe zählt die Finanzbranche – dazu gehören Banken, Steuerberater und Rechtsanwählte. Aber auch in der Medizinbranche haben wir Pilotkunden. Diese beiden Branchen müssen sicher und DSGVO-konform arbeiten. Pflegedienste sind beispielsweise eine große Zielgruppe von uns. Insbesondere in der ambulanten Pflege läuft der Austausch von Pflegern untereinander sowie das Verwalten von Patientendaten oder die Dokumentationspflicht über das Handy ab. Auch jedes andere Unternehmen, egal ob Kleinbetrieb, Mittelständler oder Großkonzern kann die App einsetzen. Im Prinzip jeder, der Wert legt auf sicheres, schnelles, mobiles Kommunizieren. Bei uns melden sich aber auch viele Vereine, Kindergärten oder sogar Kommunen, die den Messenger gerne als Bürger-App einsetzen wollen. Dort, wo mobil gearbeitet wird und die Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz haben, setzen wir an.
Sie haben dieses Jahr den Innovationspreis Ostwürttemberg gewonnen. Was steht als nächstes für Blackpin an?
Wir sind auch Finalist beim diesjährigen CyberOne Hightech Award. Mal schauen, ob wir den auch noch abräumen (lacht). Aber es ist schon ein Ritterschlag, überhaupt in die Top Ten zu kommen. Auch sonst haben wir einiges vor: Phase eins ist abgeschlossen, der Messenger ist entwickelt. Als Nächstes wollen wir die europäische Antwort auf die chinesische App WeChat sein. Das ist eine digitale Transaktionsplattform, welche die gesamte Bankenbranche auf den Kopf gestellt hat. WeChat hat einen Messenger in Kombination mit Bezahlmethoden entwickelt, über den man direkt Geschäfte abwickeln kann. Selbst mittelständische Unternehmen aus Europa, die Zulieferer aus China haben, rechnen inzwischen über WeChat ab. Allerdings ist dieser Messenger nicht konform im Sinne der DSGVO. Amnesty International hat WeChat in einem Transparenzrating 0 Punkte gegeben, selbst Facebook erhielt 73Punkte. Diese miserable Bewertung bringt deutsche Firmen in die Bredouille, wenn sie etwa mit Zulieferern aus China Geschäfte betreiben müssen. Wir bei Blackpin glauben, dass sich die Art des Arbeitens in der Zukunft ändern wird und dafür braucht man eben diese Tools, um zum Beispiel sicher und direkt Verträge abwickeln zu können oder um direkt Rechnungen zu bezahlen. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass mehr Aufklärung darüber betrieben wird, was eigentlich mit unseren Daten passiert, und wir uns nicht so sehr von amerikanischen Konzernen abhängig machen. Unsere Daten sind das Kapital von morgen.